2014 Skandinavien-Tour Teil 1

Reisebericht: Skandinavien-Tour im Sommer 2014

Teil 1 von Rostock bis Nordkinn Halbinsel (via Nordkap)


Nach fast 45 Jahren beruflicher Tätigkeit hatte ich mir unter dem Motto „Aktiv in den Ruhestand“ zum Ziel gesetzt, den nördlichsten Teil Europas mit dem Reiserad zu erkunden. Auf dieser Tour sollte weniger der sportliche Aspekt im Vordergrund stehen, sondern der Wunsch, ohne zeitliche Einschränkungen möglichst viele Eindrücke von der Natur und den Menschen der verschiedenen bereisten Länder zu gewinnen.
Für das naturnahe Reisen ist das Rad als Fortbewegungsmittel besonders gut geeignet, da auf diese Art Tagesstrecken von 80 – 120 Kilometern möglich sind. So können die enormen Distanzen Skandinaviens in einem überschaubaren Zeitraum bewältigt werden.
Da auch in den Sommermonaten extreme Witterungsverhältnisse zu erwarten waren, und ich im Zelt übernachten wollte, musste die Reise, was Kleidung und Ausrüstung betraf, gut vorbereitet werden. Zu diesem Zweck hatte ich mir ein spezielles robustes Reiserad angeschafft, welches ohne Mühe die im äußersten Norden anzutreffenden Schotterstraßen bewältigte, und dies bei einem Gesamtgewicht (Mann und Gepäck) von bis zu 150 kg. Zelt und Daunenschlafsack waren schon von früheren Touren her kampferprobt, und geeignete größere Packtaschen hatten die Arbeitskollegen mir zur Verabschiedung geschenkt.



Mein Reise-Rad von der Fa. Velotraum

Die geplante Reise mit Rad sollte in Rostock beginnen, dann über die Inseln Rügen und Bornholm an die Süd-Schwedische  Küste führen. Die besonders sehenswerten Highlights wie Götakanal, Inlandsbahnen und in Nordnorwegen die Nutzung der Hurtigruten wollte ich mir nicht nehmen lassen, und entsprechend war meine Reiseroute geplant und ausgerichtet.







Gleich am ersten Tag meines (Un-)Ruhestands startete ich meine Skandinavien-Reise zunächst mal mit dem Fernreisebus ab Freiburg mit dem Ziel Rostock via Berlin. Der ursprüngliche Plan, von Haustür zu Haustür zu fahren, war nicht zu halten, weil ich die Mittsommerwende so weit wie möglich im Norden erleben wollte. Ab Rostock radelte ich entlang der Ostsee  in Richtung Rügen zum Fährhafen von Saßnitz, wo ich gleich die erste mögliche Fähre nach Bornholm nahm.
Für die Erkundung von Bornholm hatte ich drei Tage veranschlagt. Die Insel Bornholm gehört zu Dänemark; sie hat maximal 40 km Länge (Norden-Süden) und 30 km (Osten-Westen) mit einer sehr abwechslungsreichen Landschaft. Rønne, die Inselhauptstadt, begrüßt mit ihrer alten Kirche und vielen alten Haus-Fassaden die ankommenden Fähren. Westlich in der Nähe von Rønne fand ich auch meinen Zeltplatz, von dem aus ich meine Erkundungsausflüge startete. Besonders beeindruckend fand ich die vielen Windmühlen auf der Insel.



schöne alte Häuschen in der Altstadt von Rønne


Nach einem dreitägigen Zwischenstopp auf der dänischen Insel erreichte ich die schwedische Südküste bei Ystad.
Nach einer Erkundungstour durch die schöne Altstadt von Ystad ging die Reise weiter an die südöstliche Küste Schwedens, wobei ich einige sehr schöne Wettertage erwischte und die südschwedische Seen-Landschaft (noch ohne Mücken)  richtig genießen konnte.





Ursprünglich hatte ich auch einen Besuch auf der Insel Gotland geplant, aber aus zeitlichen Gründen habe ich die Insel dann doch nicht besucht.  Ich hatte vor, mich am  9. Juli in Nordfinnland mit Gerhard (der Kontakt entstand im Radreise-Forum) zu treffen zwecks gemeinsamer Rückreise. Also musste ich darauf achten, meinen Terminplan einzuhalten. Ich steuerte schnellstmöglich den Götakanal an. Ab Söderköping ging es entlang dem Götakanal ins Landesinnere von Südschweden in Richtung Vätternsee.



Etwas enttäuschend fand ich die Radroute entlang des Götakanals, da doch große für Fahrräder vorgesehene Wegeabschnitte nicht am Kanal entlang geführt wurden. So war zum Beispiel die Nordumfahrung des Roxensees eine recht eintönige Sache, da diese komplett im Wald auf schlechten Schotterstraßen verlief. Hier empfehle ich, die kleine Bootsfähre zu nehmen.




Aber es gab entlang des Kanals auch einige sehr schöne Teilstücke, wo der Fahrradweg auf dem Treidelweg direkt am Kanal entlang führt. An diesen Teilstücken gab es auch vereinzelt nette Einkehrmöglichkeiten.






Am 12. Juni 2014 erreichte ich bei Motala den Vätternsee und erlebte die erste große Überraschung, denn zu diesem Zeitpunkt fand hier ein großes Radrennen statt: „Vätternrundan“, ein 300 km langes Jedermann-Radrennen um den Vätternsee mit über zwanzigtausend Teilnehmern. Lauter Rennradfahrer, und ich kam mir mit meinem schweren Lastesel etwas deplatziert vor. Angekommen in Motala  hatte ich schon eine Tagesetappe von 100 km auf dem Buckel, und an einen freien Zeltplatz war hier im Umkreis nicht zu denken. Deshalb musste ich noch weitere 40 Kilometer fahren, bis ich endlich einen Platz für eine Übernachtung fand.
Am nächsten Tag an der Nordostpitze des Vätternsees bei Ackersund wurde es dann wieder ruhiger ohne die vielen Rennradfahrer, und es ging nochmal bis Kristinehamn durch eine wunderschöne Seenlandschaft.




Die Landschaft in Südschweden war richtig bilderbuchmäßig (Bullerbü), ganz so, wie ich mir Schweden immer vorgestellt hatte, mit vielen bunten Häuschen und schön herausgeputzten Vorgärten.
Hier, in der Anfangsphase meiner Reise, lagen die Tagesabschnitte bei ca. 80 bis 100 km. Der tägliche Ablauf schliff sich langsam ein mit 6:30 Uhr aufstehen und (nach Frühstücken, Waschen und  alles Zusammenpacken etc.) dann um 9:30 Uhr starten. So nach zwei, drei Stunden Fahrt hielt ich in der Regel Ausschau nach einer Pausenmöglichkeit, und in Südschweden wurde ich meist fündig für einen netten Kaffee.  Im hohen Norden gab es natürlich nichts mehr dergleichen.






Kaffeekultur in Schweden:
In Schweden wird Kaffee in Mengen getrunken wie in keinem anderen Land von Europa. Die Qualität des Kaffees ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber einmal gezahlt kann man nachfüllen bis zum Abwinken. Was aber wirklich sehr lecker war, sind die kleinen Gebäckstücke, besonders die Zimtschnecken (Kanelbullar). So kann man auf dem Land in Südschweden (so wie hier in dem kleinen Nest Ryssbylund, welches auf keiner Karte zu finden ist) auf wirklich sehr nette kleine Cafés treffen, wo man auch noch sehr herzlich bedient wird.
Ab Mora benutzte ich für ein langes Teilstück die Inlandsbahn (Inlandsbanan). Die Nutzung dieser Bahn ist wirklich ein Geheimtipp, den man nicht verpassen sollte. Die Bahn führt (rund 1000 km) von Mora bis nach Gällivare, das sich schon nördlich des Polarkreises befindet. Ich hatte für diese  Inlandsbahnen ein Ticket mit zwei Wochen Gültigkeit. So konnte ich die Bahnfahrt jederzeit unterbrechen, mir was anschauen und Erkundungstouren vornehmen.
Es ist wirklich eine tolle Möglichkeit, Schweden auf eine äußerst angenehme Art zu bereisen; das Fahrrad (zwei Räder pro Zug) kann ohne Mehrkosten mitgeführt werden. Es geht sehr leger  und gemütlich zu, und das Fahrrad wird meist von den netten Zugbegleitern verstaut (in der ungenutzten Führerkanzel am Ende des Zuges).


Fahrradmitnahme ist in Schweden nur bei den Privatbahnen möglich


Vom Zug aus konnte ich vollkommen entspannt die abwechslungsreiche Landschaft erleben, und das Schöne daran war, dass es an diesen Tagen regnete, und ich nicht das Gefühl hatte, ich verpasse da draußen auf der Straße etwas.  An interessanten Stellen hielt der Zug für Besichtigungen, und für Elche oder andere seltene Sehenswürdigkeiten auf der Strecke wurde natürlich auch mal angehalten oder mal zurückgestoßen. Für Essenspausen oder zum Kaffeetrinken hielt der Zug ebenfalls. Die Zugbegleiter waren unheimlich nett und erklärten alles auf Schwedisch oder Englisch und waren beim Ein- und Aussteigen mit dem Gepäck behilflich. 
 




Zum Mittsommer-Wochenende in Advidsjauir legte ich einen längeren dreitägigen Halt ein. Hier hatte ich auch Gelegenheit, das Mittsommernachtsfest mitzuerleben.

Mittsommerfeier in Arvidsjaur  


Mittsommer ist für die Skandinavier von hoher Bedeutung, wobei das Tanzen um den Mittsommerbaum eher für Familien mit Kleinkindern vorbehalten ist (so habe ich es erlebt). Meist trifft man sich im Freundeskreis zum gemeinsamen Essen und vor allen Trinken alkoholischer Getränke. Als Tourist muss man wissen, dass an diesem Wochenende das öffentliche Leben nicht existiert. Wenn man Glück hat, sind noch einige Supermärkte offen.
Leider zeigte sich das Wetter noch einmal von seiner richtig kalten Seite und dies auch mit Regen und Schneeschauern. Ich war froh, in diesen Tagen in einem „Wandrarhem i Idyllisk miljö“ eine feste Unterkunft gefunden zu haben.



In Arvidsjaur gibt es kleine historische Siedlung Lappstaden (Samenstadt)


Ich hatte das ganze Gebäude für mich allein, da der Herbergsvater zu Freunden fuhr, um Mittsommer zu feiern. Er drückte mir den Schlüssel in die Hand und meinte, wenn ich abfahre, solle ich den Schlüssel ins Postfach werfen (gutes Gottvertrauen).







Drei Kilometer von Arvidsjaur entfernt besuchte ich in Renvallen Uta und Tord. Die beiden habe ich vorher übers Internet kennengelernt. Sie gaben mir noch wertvolle Tipps zur Reise im hohen Norden. Uta ist aus Deutschland und führt ein kleines Kaffee mit einer Glaskunst Boutique. Die kunstvollen Verzierungen auf den Gläsern stellt Uta selbst her.









Nach dem dreitägigen Zwischenstopp ging es nochmal weiter mit der Inlandsbahn nach Gällivare; dabei überquerte ich bei Jokkmokk den „Artic  Circle“ und bekam dafür auch ein Zertifikat überreicht.
Ab Gällivare, einer der großen Bergwerks-Städte in Lappland, ging es mit dem Rad weiter in Richtung Kirkenes. Ich hatte die Idee (nach den vielen Zugfahrten) mal die Nacht durchzuradeln (dunkel wird es ja nicht), auch, um ein Gefühl zur Mittsommer-Sonne zu bekommen. Mein Nachtfahrziel war das 145 km entfernte Kiruna. Nun - die ersten Stunden lief es ganz gut, so bis um zwei Uhr nachts. Dann merkte ich: es wird trotz Mitternachtsonne (welche in den Wolken nicht zu sehen war) empfindlich kalt! Auch musste ich feststellen, dass meine Ausrüstung für die Temperaturen um Null Grad herum nicht winterfest genug war. Die Hände (trotz Handschuhe) und Füße (trotz mehrerer Socken) wurden zu gefühlten Eiszapfen. Trinken war kaum möglich, da das Wasser in den Wasserflaschen zu kalt (+1°C) war. Hinzu kam, dass sich die Strecke als sehr hügelig erwies und meine Funktionskleidung (durchgeschwitzt) nicht mehr isolierte. Ich hatte schon alles Erdenkliche angezogen (Zwiebelprinzip), aber sobald ich mal stand oder es bergab ging, habe ich fürchterlich gefroren. Um drei Uhr Nachts hielt ich es nicht mehr aus - ich suchte mir im Freien ein Nachtlager, baute das Zelt auf und verzog mich frierend in meinen Schlafsack.



Ich muss gestehen, dass ich trotz meiner intensiven Vorbereitung die Witterungsverhältnisse in Nordschweden falsch eingeschätzt habe, so dass ich in Kiruna meine Ausrüstung um einen weiteren Satz dicker Handschuhe und Socken ergänzen musste. In diesen Tagen (Mitte Juni) war es an manchen Tagen so kalt, dass ich das mitgeführte Trinkwasser immer wieder mit dem Gaskocher erwärmen musste, damit es überhaupt in größeren Mengen trinkbar war.



Ab Kiruna, einer Stadt mit einem riesigen Erzbergwerk, fuhr ich durch eine phantastische Naturlandschaft (Seen, schneebedeckte Berge und abgeschiedene Täler) entlang der Erzbahn, welche das Erz von Kiruna nach Narvik transportiert. Die Erzzüge bestehen aus einer fast kilometerlangen Waggonreihe (mehr als 70 Erz-Waggons) und zwei extrem starken Loks, die im Halbstunden-Takt vorbehandeltes Erz an den auch im Winter eisfreien Hafen Narwick transportieren.







Die Vegetation verändert sich an diesem nördlichen Breitengrad: Es gibt keine Nadelbäume mehr, und man trifft hier nur noch auf eine Birkenart, die jedoch nicht so hoch wird wie bei uns. Die Bäume werden durch die winterlichen Schneelasten auf den Boden gedrückt und wachsen - ähnlich wie die Latschenkiefern in den Alpen - verkrüppelt. 





Meine Route führte auf der E10, einer erfreulicherweise vom Autoverkehr nicht so stark genutzten Straße, entlang des Torneträsk (ein See in der nordschwedischen Provinz Norrbottens län) und dann  weiter in die Berge zur Norwegischen Grenze. Typisch für die Berge ist, dass diese (hervorgerufen von der Eisszeit) abgerundet sind. Mitte Juni waren die umliegenden Berge (Hügel) alle schneebedeckt.




Nach einer unspektakulären Grenzüberquerung  von Schweden nach Norwegen ging es dann auch schnell bergab zu dem Ofotfjord, an dem Narvik liegt. Hier in den geschützten Buchten (Fjorden), beeinflusst vom Golfstrom, ist da Klima etwas milder, und dadurch ist der schmale Küstenstreifen schon grün bewachsen. Die Hügel zwischen den  Fjorden sind gleich wieder schneebedeckt oder kahl ohne Vegetation.


Auf der König Olavs Route fuhr ich in Richtung Narvik


Am  25. Juni bin ich in Tromsø eingetroffen. Tromsø (ca. 65.000 Einwohner) ist flächenmäßig die größte Stadtgemeinde in Norwegen und, was die Grundfläche betrifft, so groß wie das Fürstentum Luxemburg. Es war an diesem Tag eine wunderbar sommerliche Stimmung zwischen den farbenfrohen Häusern der Altstadt. Hier hatte ich auch die Gelegenheit, eine norwegische Hochzeit mit den schönen Trachten zu beobachten.
Norwegische Hochzeit

Ab Tromsø ging es weiter mit der norwegischen Postroute (Hurtigruten)  bis Honningsvag. Diese anderthalb Tage bei schönstem Wetter sind für mich unvergesslich. Die Route des Schiffes führte durch enge Passagen, wo rechts und links die abgerundeten Berge in fast greifbare Nähe kamen.



Mit dem Postschiff MS Finnmarken ging es weiter in Richtung Honningsvag   

Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt, die unbeschreiblichen Natureindrücke in mich aufzunehmen. Ganz besonders beeindruckend war das Durchgleiten der Fjorde in den Nachstunden. Das Farbenspiel der Mitternachtssonne tauchte die Küsten, Fjorde und Berge in feuerrotes, samtrosiges oder goldgelbes Licht, welches im wundervollen Kontrast zum dem sanften Tiefgrün der Kiefern und Laubwälder stand. Auf dem Panoramadeck hatte man das Gefühl, man schwebe durch diese großartige Landschaft.







Sowohl am Nordkap (dem nördlichsten anzufahrenden Punkt Europas auf der Insel Magerøya) als auch auf der Nachbar-Halbinsel Nordkinn (dem nördlichsten Punkt auf dem Festland von Europa mit dem nördlichsten Leuchtturm von Europa) herrschte schönes, klares Wetter, was in dieser Gegend äußerst selten anzutreffen ist. 

Ab der Halbinsel Nordkinnn fuhr ich ein Teilstück zusammen mit Chris, die aus Belgien stammt. Es war ein sehr angenehmes und unkompliziertes gemeinsames Fahren.

Besuch eines kleinen Fischerdorfes auf der Insel Mageroya


Auf Nordkinn schlugen Chris und ich unsere Zelte auf einem der nördlichsten Zeltplätze Europas (mehr so ein Hostel mit Zeltmöglichkeit auf der Wiese) in Mehamn auf.






Von hier aus starteten wir unsere Tageausflüge, wie z.B. zu dem 30 km entfernten Gamvik mit dem Ziel „Slettnes fyr“ dem am nördlichsten gelegenen Leuchtturm Europas zu erreichen.




Links unten: Slettnes fyr, der nördlichste Leuchtturm auf dem europäischen Festland
Bilder rechts: Aufnahmen nach Mitternacht vom Hafen in Mehamn auf der Halbinsel Nordkinn



Am 1. Juli ging es dann wieder Richtung Süden. Dieser Teil wird in einem zweiten folgendem Bericht beschrieben.




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